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Online-Tool für Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen

Grüner Strom vom Land: Wie Agrario Energy die Energiewende beschleunigen will

Agrario Energy entwickelt eine Software, mit der Grundstückseigentümer prüfen können, ob ihre Flächen für Windräder oder Solaranlagen geeignet sind. So will das Start-up aus Wiesbaden die Energiewende vorantreiben – und zugleich die Landwirtschaft zukunftsfest machen.

Agrario Energy Logo
Kategorie
Reportage
Energie
Standort
Wiesbaden
Gründungsjahr
2024
Stand vom 08.01.2025

Das Ziel ist klar: der Strom in Deutschland soll „grün“ werden. Damit steht das Land vor einer gewaltigen Aufgabe. Ziel des Mammutprojekts Energiewende ist die Abkehr von der Stromgewinnung aus fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas ebenso wie der bereits vollzogene Ausstieg aus der Atomenergie. Stattdessen soll der Strom zwischen Küsten und Alpenrand vor allem aus erneuerbaren Energien erzeugt werden – etwa aus Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft.

Die Krux an der Sache ist nicht nur die Energiewende an sich – sondern, dass die Zeit drängt. Bis 2030, so hat es sich Deutschland vorgenommen, sollen 80 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Für 2024 prognostizierte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft Mitte Dezember einen Anteil von rund 55 Prozent erneuerbarer Energien am gesamten Stromverbrauch. „Man darf nicht vergessen, dass der Prozess der Energiewende in Deutschland um die Jahrtausendwende begonnen hat“, sagt Alexander von Breitenbach. 25 Jahre habe es gedauert, bis gut die Hälfte des Stroms „grün“ war. Jetzt blieben nur noch fünf Jahre, um weitere 25 Prozent zu erreichen – ein gewaltiger Brocken.

Zielgruppe sind Landwirte, Kommunen und Kirchen

Um das zu schaffen, will Alexander von Breitenbach einen Beitrag leisten. Dafür hat der Rheingauer im Sommer 2024 das Start-up Agrario Energy gegründet. Das hat sich eine außergewöhnliche Nische im Sektor der erneuerbaren Energien ausgesucht. Denn Agrario Energy richtet sich an diejenigen, auf die es beim Bau von Windrädern und Photovoltaikanlagen ganz besonders ankommt: die Eigentümer unbebauter, land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundstücke im ländlichen Raum. Privatpersonen, ganz besonders Landwirte, gehören damit zur wichtigsten Zielgruppe von Agrario Energy – aber nicht nur sie. „Auch Kommunen und Kirchen besitzen häufig große Flächen außerhalb von Siedlungen und sind damit interessant für uns“, sagt von Breitenbach.

Agrario Energy Porträtfoto Alexander von Breitenbach © Agrario Energy
Alexander von Breitenbach
Gründer und Geschäftsführer Agrario Energy

"Wir produzieren sehr viele Daten. Damit wollen wir den Eigentümern Orientierung geben, und das als unabhängige Stelle."

Ihnen allen macht Agrario Energy ein Angebot, das es nach Angaben des Start-ups so in Deutschland bislang noch nicht gibt. Mit einem Online-Tool sollen Eigentümer schnell und unkompliziert herausfinden, für welche Nutzung im Bereich der erneuerbaren Energien sich ihre Flächen eignen – und für welche nicht. Vereinfacht gesagt: Lohnt sich auf meinem Grund und Boden eher ein Windrad oder eine Solaranlage? Oder wäre ein Batteriespeicher die bessere Wahl? Um solche Fragen zu beantworten, prüft die vom Agrario-Team entwickelte Software die Fläche auf unterschiedliche Parameter ab: Wie sind die Wetterbedingungen am Standort? Welche planungsrechtlichen Vorgaben gibt es? Befindet sich die Fläche in einem Natur- oder Wasserschutzgebiet? Verlaufen Hochspannungsleitungen in der Nähe? „Wir produzieren sehr viele Daten“, sagt von Breitenbach. Diese werden analysiert und verständlich aufbereitet. „Damit wollen wir den Eigentümern Orientierung geben, und das als unabhängige Stelle“, betont von Breitenbach. Denn selbst wird Agrario Energy keine Windräder oder Photovoltaikanlagen bauen.

Landwirtschaft betreiben oder Solaranlage bauen? Es geht auch beides auf einmal

Eine Frage, die sich viele Eigentümer stellen: Nutze ich meine Fläche lieber für die Landwirtschaft oder um „grünen“ Strom zu erzeugen? Es gehe auch beides gleichzeitig, betont von Breitenbach. Etwa, wenn ein Feld mit sogenannten Agri-Photovoltaikanlagen überbaut wird. Dabei sind die Solarmodule auf Metallgestellen montiert – und zwar so hoch, dass Traktoren darunter fahren und Pflanzen wachsen können. „In unserem Tool können Landwirte sogar die Abstände der Gestelle zueinander festlegen“, sagt von Breitenbach, und so auf den individuellen Lichtbedarf jeder Pflanze eingehen.

Agrario Energy Analyse

Sieben Jahre lang hat von Breitenbach in der Energiebranche gearbeitet, bevor er sich Anfang 2024 dafür entschied, sich hauptberuflich seinem Start-up-Projekt zu widmen. Doch auch zur Landwirtschaft hat der 37-Jährige einen engen Bezug. Seine Mutter betreibt ein Weingut im Rheingau, er selbst kennt die Herausforderungen, vor denen heutzutage viele Landwirte stehen, daher aus erster Hand. „Viele Betriebe stehen unter hohem wirtschaftlichen Druck. Es gibt Prognosen, die besagen, dass bis 2040 sechs von zehn Betrieben aufgeben müssen“, sagt der Gründer. Die Einnahmen aus dem Betrieb von Windrädern oder Solaranlagen könnten helfen, den wirtschaftlichen Druck abzumildern. „So können wir dazu beitragen, die Zukunftsfähigkeit von landwirtschaftlichen Betrieben zu stärken“, betont von Breitenbach.

Agrario-Software soll Anfang März verfügbar sein

Das Tool, mit dem Grundstückseigentümer ihre Flächen für den Bau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen, aber auch für die Einrichtung von Batteriespeichern oder das Anlegen von Blühstreifen prüfen können, soll Anfang März 2025 auf der Internetseite von Agrario zur Verfügung stehen. Schon jetzt können Anfragen an das Start-up gestellt werden. Allerdings muss das Team diese mit einer noch nicht veröffentlichten Version der Software händisch beantworten – ein Prozess, der sich mit dem Go-live im Frühjahr deutlich vereinfachen wird.

Agrario Energy Porträtfoto Alexander von Breitenbach © Agrario Energy
Alexander von Breitenbach
Gründer und Geschäftsführer Agrario Energy

"Der Landwirt von morgen ist auch Energiewirt. Neben Pflanzen und Feldfrüchten wird er Energie ernten und damit Geld verdienen."

Der Service von Agrario Energy, mit Hauptsitz in Wiesbaden und einer Betriebsstätte in Mainz, soll für Eigentümer kostenlos sein. Einnahmen plant das Start-up über einen Online-Marktplatz, auf dem Eigentümer ihre Flächen einstellen und mit Projektentwicklern für Windräder oder Solaranlagen zusammenkommen können. „Projektentwickler investieren aktuell viel Zeit in die Flächensuche. Unser Marktplatz soll diesen Prozess vereinfachen“, erklärt von Breitenbach. Dafür müssen die Projektentwickler an Agrario zahlen – zum einen eine Abo-Gebühr, um die Daten der Eigentümer einsehen zu dürfen, zum anderen eine Provision, wenn ein Geschäft zustande kommt.

Wiesbadener Start-up will europaweit expandieren

Gegründet hat von Breitenbach Agrario Energy gemeinsam mit Co-Gründer Chris Weber, der sich um die technische Entwicklung kümmert. Aktuell arbeitet das Team zu viert, neben den Gründern sind ein Werkstudent sowie ein freiberuflicher Programmierer an Bord. Den Fokus legt Agrario zu Beginn auf die Bundesländer Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Anschließend soll das Angebot bundesweit ausgerollt werden – und nicht nur das: „Die Energiewende ist nicht nur ein Thema in Deutschland, sondern in ganz Europa“, betont von Breitenbach mit Blick auf den Green Deal der Europäischen Union. Die Expansion in weitere europäische Märkte nennt der Agrario-Gründer als eines der Ziele des Start-ups: „Das ist etwas, das wir nicht nur im Hinterkopf haben.“

Alexander von Breitenbach (l.) und Chris Weber bilden das Gründerteam von Agrario Energy.

Ab 2026 möchte Agrario Energy zudem profitabel wirtschaften. Dass das gelingt, davon ist Alexander von Breitenbach überzeugt. Ebenso glaubt er daran, dass sich Landwirtschaft und erneuerbare Energien in Einklang bringen lassen. „Der Landwirt von morgen ist auch Energiewirt“, betont von Breitenbach. „Neben Pflanzen und Feldfrüchten wird er Energie ernten und damit Geld verdienen.“ Und so nicht zuletzt das ambitionierte Projekt Energiewende mit vorantreiben.

Kontakt zu Agrario Energy