Mit Magneten kühlen: MagnoTherm Solutions verbindet Wissenschaft und Geschäftssinn
Die jungen Gründer des Darmstädter Start-ups MagnoTherm Solutions haben aus einer innovativen Idee ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt: Weil sie Forschung und Betriebswirtschaft von Anfang an zusammengedacht haben und ihr Unternehmen mit Leidenschaft vorantreiben.
Die Idee kam während des Studiums: Eine völlig neue Art von Kühlgeräten, die nicht auf herkömmliche Weise mit klimaschädlichen oder giftigen Gasen arbeiten, sondern umweltfreundlich, leise und kostengünstig mit Magneten. Für Dr. Max Fries war der Gedanke nur folgerichtig, tüftelte sein Doktorvater Prof. Dr. Oliver Gutfleisch an der Technischen Universität Darmstadt doch bereits seit fast 20 Jahren am magnetokalorischen Effekt. Bei diesem physikalischen Phänomen werden spezielle Materialien warm und kalt, wenn man sie auf- und entmagnetisiert. Der Effekt ist schon lange bekannt, doch verkaufsfähige Produkte scheiterten bislang stets an zu teuren oder nicht ausreichend stabilen Materialien: eine Technik mit großem Potential – aber ohne Marktreife. Wie sollte also aus der bloßen Idee ein kommerzielles Geschäftsmodell werden?
Dr. Max Fries und Prof. Dr. Oliver Gutfleisch erkannten, dass sie Unterstützung mit ökonomischem Sachverstand benötigten, um mit ihrer Vision ein Start-up gründen und zum Erfolg führen zu können. Also hörten sie sich im Freundeskreis um – und stießen auf Timur Sirman, der als Wirtschaftsingenieur das fehlende Bindeglied zur Unternehmensgründung von MagnoTherm Solutions bildete. „Wir haben zu Beginn zum Glück alles richtig gemacht: Nicht nur eine Idee aus unserem Fachgebiet verfolgt, sondern von Anfang an die wirtschaftliche Komponente im Blick behalten. Das ist vielleicht der wichtigste Tipp, den wir anderen Gründern geben können“, sagt Dr. Max Fries im Rückblick. „Auf diese Weise konnten wir viele Stolpersteine umgehen und Probleme vermeiden: Einen Businessplan zu erstellen, war für unseren Wirtschaftsexperten reine Routine.“
Gleichzeitig nutzten die drei Gründer ihr universitäres Umfeld. Durch eine enge fachliche Vernetzung, unzählige Gespräche mit anderen Experten und die Nutzung von Förderprogrammen entwickelten sie Schritt für Schritt ihr Start-up mit Sitz an der TU Darmstadt. Dabei warf ihr Metier ganz eigene Schwierigkeiten auf. „Die Technik, mit der wir uns beschäftigen, ist sehr komplex. Das macht eine Umsetzung in anwenderorientierte Produkte nicht leicht. Bis heute müssen wir bisweilen Zulieferer erst mit viel Aufwand anlernen, weil unsere Aufträge so ungewöhnlich sind. Manchmal ist es für uns sogar schneller und günstiger, wenn wir selbst neue Techniken entwickeln und die benötigten Teile im Hause produzieren“, erklärt Prof. Dr. Oliver Gutfleisch. „Man sollte also nie die Komplexität seiner Produkte unterschätzen: Bis aus einem Prototyp tatsächlich ein in Serie produzierbares Modell wird, ist es ein sehr langer Weg. Diese Durststrecken können für junge, innovative Start-ups zum existenzbedrohenden Risiko werden.“
MagnoTherm Solutions setzte deshalb von Anfang an auf eine solide Finanzierung. Einen entscheidenden Pfeiler stellte dabei das Forschungstransfer-Programm „Existenzgründungen aus der Wissenschaft“ (EXIST) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie dar, das sich speziell an Hochschulen und Forschungseinrichtungen wendet. „Eine wichtige Komponente des EXIST-Programms ist die Stärkung des Unternehmergeistes bei den beteiligten Projekten – das hat also genau zu unserem Ansatz gepasst“, sagt Wirtschaftsingenieur Timur Sirman. Entsprechend erfolgreich war das Darmstädter Start-up bei der Fördervergabe: 1,2 Million Euro über drei Jahre konnten die Magnet-Experten einfahren.
„Bei Förderanträgen ist eine gute Vorbereitung auf die konkreten Ansprüche des jeweiligen Programms entscheidend. In Gesprächen mit anderen Start-ups ist uns aber auch aufgefallen, dass bereits das Wissen um die vielen Fördermöglichkeiten in Deutschland und Hessen ein wichtiger Faktor ist: Wer sich hier informiert und beraten lässt, hat einen ganz klaren Vorteil bei der Finanzierung und Umsetzung seines Projekts“, betont Timur Sirman. Der Hessische Gründerpreis, den die Darmstädter 2019 gewannen, war eine weitere wichtige Ergänzung, um MagnoTherm Solutions bekannt und potenzielle Investoren auf sich aufmerksam zu machen.
Eine zusätzliche Möglichkeit, während langer Entwicklungsphasen erste Einnahmen zu erzielen und Liquidität herzustellen, ist der Transfer von Wissen. Insbesondere wenn Gründer Experten auf einem Spezialgebiet sind, können sie hier bereits vor der Serienreife ein ergänzendes Geschäftsmodell aufbauen. So bietet MagnoTherm Solutions Schulungen und Vorträge zum komplexen magnetokalorischen Effekt und den eigenen Forschungsergebnissen an. Für Museen und andere Wissenschaftler konstruieren und verkaufen sie zudem Prototypen ihrer Maschinen. „Dabei passen wir natürlich auf, dass wir unser Wissen nicht zu sehr an potenzielle Konkurrenten weitergeben“, erklärt Timur Sirman. „Man darf eben nicht nur wie ein Wissenschaftler denken, sondern muss auch ein Geschäftsmann sein.“
„Leidenschaft für das eigene Produkt und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Umsetzung sind letztlich das Erfolgsrezept für jedes Start-up.“
Bei MagnoTherm Solutions ist diese Start-up-Grundregel erfolgreich angewendet worden: Inzwischen sind zwölf Mitarbeiter damit beschäftigt, das junge Unternehmen voranzutreiben. In ein bis zwei Jahren soll die Produktion starten, bis dahin legen die innovativen Gründer die Grundlagen einer völlig neuen Technik durch das Zusammenspiel ihrer Fachbereiche: Materialwissenschaft, Physik, Maschinenbau, Elektromechanik, Simulation und Wirtschaftswissenschaften gehen bei dem Darmstädter Start-up Hand in Hand. „Wir lernen wahnsinnig viel voneinander, weil jeder von uns Einblicke in alle anderen Disziplinen erhält. Dadurch fühlt sich jeder Einzelne verantwortlich und ist mit Herzblut dabei – denn Leidenschaft für das eigene Produkt und eine vernünftige betriebswirtschaftliche Umsetzung sind letztlich das Erfolgsrezept für jedes Start-up“, sagt Gründer Dr. Max Fries.
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