StartHub Hessen
Spezialanzug für Muskeltraining mit Elektrostimulation

Sport mit Spannung: Myostyle will Bewegungsmuffel mit Elektrizität fit bekommen

Wer zum Trainieren nicht ins Fitnessstudio will, kann seine Muskeln auch mit Strom in Form bekommen. Und das sogar deutlich schneller als zwischen Beinpresse und Hantelbank – so verspricht es das Frankfurter Start-up Myostyle. Was steckt dahinter und wie funktioniert das genau?

Myostyle Logo
Kategorie
Reportage
Standort
Frankfurt
Gründungsjahr
2021
Stand vom 15.10.2024

Ordentlich nach Größe sortiert hängen die schwarzen Sportanzüge auf einem Kleiderständer in einem Büro in Frankfurt-Sachsenhausen. Mit ihrem eher dezenten Design wirken die Outfits auf den ersten Blick recht unauffällig, erinnern an atmungsaktive Funktionskleidung, wie man sie häufig bei Radsportlern sieht. Doch die Sporttextilien haben es in sich – im wahrsten Sinne des Wortes: Blickt man genauer hin, erkennt man die flachen breiten Kunststoffstreifen, die auf der Innenseite des Gewebes haften. Auf diesen Streifen sind unzählige Elektroden verteilt. Mit deren Hilfe will das Start-up myostyle sein zentrales Versprechen an die Kundschaft erfüllen: Ein Anzug, der selbst Sportmuffel fit macht – und das mit einem Zeitaufwand von weniger als einer Stunde pro Woche.

Das Zauberwort, um dieses Versprechen zu erfüllen, lautet EMS – die Abkürzung für elektrische Muskelstimulation. Schlüpft ein Sportler (oder jemand, der gerne sportlich werden möchte) in den Anzug, wird Strom durch die Elektroden in die Muskulatur des Trägers geleitet. Die Muskeln ziehen sich zusammen, lockern sich, sobald der Stromfluss stoppt, und kontrahieren erneut, wenn wieder Elektrizität fließt. Das Ergebnis: der Muskel wird trainiert.

Der Sportanzug steuert 90 Prozent der Muskeln an - zeitgleich

„Normalerweise entscheidet der Kopf, dass er zum Beispiel einen Gegenstand anheben möchte und sendet über die Nerven einen elektrisch übermittelten Befehl an die entsprechenden Muskeln“, umreißt myostyle-Mitgründerin Diba Nazar-Czaplinski den üblichen Prozess, mit dem unser Körper seinen Muskeln „Befehle erteilt“. Dieser Prozess läuft auch beim „klassischen“ Training mit Gewichten im Fitnessstudio ab. Die Krux: man erreicht nie alle Muskeln auf einmal. Bestimmte Muskelgruppen, etwa Bizeps und Trizeps im Arm, sind sogenannte „Agonisten“ und „Antagonisten“, die sich nicht gleichzeitig ansteuern lassen. Ein einfaches Prinzip: entweder, man beugt den Arm oder man streckt ihn – beides auf einmal geht nicht.

Diba Nazar-Czaplinski © Myostyle GmbH
Diba Nazar-Czaplinski
Co-Gründerin und Geschäftsführerin Myostyle

Durch den Strom bringen wir den Muskel sehr schnell an seine Leistungsgrenze. An den Punkt also, an dem der erwünschte Muskelaufbau erfolgt.

Mit Hilfe von EMS könnte es aber doch gehen. Natürlich kann man auch im Spezialanzug von myostyle seinen Arm nicht gleichzeitig beugen und strecken – doch die Elektroden sorgen dafür, dass beide Muskelgruppen auf einmal aktiviert und damit trainiert werden. Und was für den Arm gilt, gilt gleichzeitig auch für den großen Teil der übrigen Muskeln im Körper. Über 90 Prozent der Muskulatur erreiche man mit dem EMS-Anzug, betont Nazar-Czaplinski. „Ausgenommen sind nur Unterarme und Wadenmuskulatur“. Dadurch, dass man (fast) alle Muskeln zeitgleich trainiert, wird das Training besonders effektiv. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: „Durch den Strom bringen wir den Muskel sehr schnell an seine Leistungsgrenze. An den Punkt also, an dem der erwünschte Muskelaufbau erfolgt“, sagt die myostyle-Geschäftsführerin. Während man etwa beim „klassischen“ Hanteltraining die Muskeln im Arm durch viele Wiederholungen erst einmal an die Leistungsgrenze bringen müsse, könne man mit EMS sehr schnell an diesem Punkt starten – auch das macht das Training effektiv.

Diese Effektivität bringen Nazar-Czaplinski und Co-Gründer Michael Czaplinski in einer Zahl auf den Punkt. Zweimal 20 Minuten Training pro Woche reichen, um fit zu werden – so das zentrale Versprechen von myostyle.

Gründer bauten Fitnessstudiokette im Mittleren Osten auf

Die EMS-Technik, auf die die Frankfurter setzen, ist dabei gar nicht neu, sondern wird bereits seit Jahrzehnten genutzt. Myostyle hat die existierende Technologie jedoch weiterentwickelt, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Denn Nazar-Czaplinski hat mit dieser speziellen Art des Trainings schon viel Erfahrung gesammelt. Die Unternehmerin war zunächst in Deutschland als Leiterin konventioneller Fitnessstudios tätig, eröffnete später ein reines EMS-Studio. 2010 ging sie nach Dubai, baute im Mittleren Osten, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Kuwait, Oman und Saudi-Arabien eine Kette mit insgesamt 21 EMS-Studios auf. 2015 stieß Michael Czaplinski zum Unternehmen. Dann jedoch kam die Corona-Pandemie – und alle Studios mussten schließen. Trainieren durfte man plötzlich nur noch in den eigenen vier Wänden.

Die beiden Co-Gründer und Geschäftsführer von Myostyle, Diba Nazar-Czaplinski (l.) und Michael Czaplinski

Eine schwierige Zeit, in der die Fitness-Experten zwei weitreichende Entscheidungen trafen. 2021 gingen sie zurück nach Deutschland – und spezialisierten sich dort statt auf Studios auf EMS-Training im Heimbereich. Noch im selben Jahr gründeten die beiden myostyle.

Um sich vom Wettbewerb abzuheben, entwickelte myostyle einen Anzug, in dem der Strom kabellos aus einer an der Hüfte befestigten kleinen Steuereinheit mitsamt Akku in die Elektroden fließt, was dem Träger eine größere Bewegungsfreiheit bietet. Einzigartig mache ihr Produkt aber vor allem der Einsatz von Strom im sogenannten Mittelfrequenzbereich von bis zu 2000 Hertz, betonen die Gründer. „Im Mittelfrequenzbereich fließt der Strom feiner und damit angenehmer unter die Haut als bei herkömmlichen Anzügen, die auf Niederfrequenz setzen“, sagt Nazar-Czaplinski. „Dadurch wird das Training schonender und angenehmer für den Träger.“ Man sei das erste Unternehmen, das es geschafft habe, EMS-Training im Mittelfrequenzbereich für den Breitensport zugänglich zu machen, betont man bei myostyle.

Zweieinhalb Jahre Entwicklungszeit stecken im Anzug

Zweieinhalb Jahre Entwicklungszeit haben die Frankfurter in ihr Produkt investiert. Die Entwicklung stemmte man gemeinsam mit Partnern aus Süddeutschland, ein dort ansässiges Unternehmen kümmert sich auch um die Produktion. Seit Anfang 2024 ist der Trainingsanzug im Verkauf – im eigenen Online-Shop und auf weiteren Fitness-Plattformen. Bei 2888 Euro liegt aktuell der Brutto-Preis für einen Anzug. Ein Betrag, der zunächst hoch klingt, sich aber mit Blick auf die Kosten für die Mitgliedschaft in einem EMS-Studio wieder relativiere, sagt Co-Gründer und Geschäftsführer Michael Czaplinski, der sich bei myostyle um Vertrieb und Finanzen kümmert. Kauft man im Partner-Paket, gibt es einen zweiten Anzug für 670 Euro dazu.

Michael Czaplinski © Myostyle GmbH
Michael Czaplinski
Mitgründer und Geschäftsführer Myostyle

Im Prinzip wollen wir jeden erreichen, der nicht gerne ins Fitnessstudio geht oder nicht viel Zeit fürs Training aufwenden möchte, aber trotzdem fit werden will.

Den Job des Personal Trainers im Fitnessstudio übernimmt beim myostyle-Produkt eine App. Mit ihr lassen sich Trainingsprogramme in verschiedenen Intensitäten auswählen und bestimmte Muskelgruppen stärker oder schwächer stimulieren. Zugleich zeigen kurze Erklärvideos Handhabung und Bewegungsabläufe zur Nutzung des Anzugs. Auch optionale Warm-up- oder Cool-down-Programme stecken in der App.

Im Kern nimmt myostyle als Zielgruppe vor allem die Altersklasse zwischen 38 und 65 Jahren ins Visier, Männer und Frauen gleichermaßen. „Im Prinzip wollen wir jeden erreichen, der nicht gerne ins Fitnessstudio geht oder nicht viel Zeit fürs Training aufwenden möchte, aber trotzdem fit werden will“, bringt es Czaplinski auf den Punkt. Der klassische „Sportmuffel“ könne sich ebenso angesprochen fühlen wie Menschen, für die, etwa wegen Übergewicht, Training im klassischen Studio nicht in Frage komme.

Bis 2027 will myostyle Märkte in 33 Ländern erschließen

Aktuell fokussiert sich Myostyle beim Vertrieb auf die drei Länder des deutschsprachigen DACH-Raumes. Um das marktfertige Produkt in den Verkauf zu bringen, hat das Start-up, bei dem aktuell acht festangestellte Mitarbeiter tätig sind, in einer Seed-Runde bereits Geld von Investoren eingesammelt. „Aktuell sind wir in Gesprächen für eine Series A-Finanzierung“, erklärt Czaplinski. Mit diesem Geld will myostyle sein weiteres Wachstum finanzieren. „Unser Ziel ist es, 2025 zehn weitere Länder zu erschließen. Bis 2027 wollen wir in 33 Länder liefern“, kündigt der Geschäftsführer an. Die myostyle-App soll es statt wie bisher in zwei künftig in sieben verschiedenen Sprachen geben. Auch das Team soll wachsen – aktuell sucht myostyle nach neuen Mitarbeitern in den Bereichen Marketing und Büromanagement.

Myostyle Produkt

Unterstützung und Anregungen holt sich myostyle im hessischen Start-up-Ökosystem. Zuletzt standen die Gründer im September bei einem Pitch-Event in Frankfurt auf der Bühne. „Solche Events sind für uns sehr wichtig“, betont Czaplinski. „Man kann Kontakte knüpfen und viel voneinander lernen. Vorher wussten wir gar nicht, dass es manche Firmen überhaupt gibt“, sagt er. Austausch unter Start-ups – geht es nach myostyle, dürfte es davon sogar noch mehr geben. Noch mehr, das wollen die Gründer auch für ihr Start-up erreichen. Dass das gelingt, da zeigt sich das myostyle-Team zuversichtlich. Schließlich haben sie ein ziemlich spannendes Produkt am Start.

Kontakt zu Myostyle

Diba Nazar-Czaplinski und Michael Czaplinski

Geschäftsführer

Darmstädter Landstraße 125 60598  Frankfurt am Main